Städtische Museen

Landsberg am Lech

Neuerwerbung 2018

Silberner Pokal der Schach-Olympiade im DP-Lager in Landsberg am Lech

Silberner Pokal mit Gravuren vom Schachturnier 1946 im DP-Lager Landsberg© Neues Stadtmuseum

2018 erwarb das Stadtmuseum im Kunsthandel einen Pokal, der an ein wichtiges Sportereignis erinnert, das vom 1. bis 15. September 1946 im Displaced Persons-Camp Landsberg ausgetragen wurde: Die erste Schach-Olympiade nach der Shoa, die zwischen den DP-Lagern der amerikanischen Zone stattfand. Eingeladen hatte dazu der Sportclub Ichud des Landsberger DP-Lagers.

Der Begriff „DP“ umfasst all jene Personen, die infolge des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat durch Kriegseinwirkungen und deren Folgen vertrieben, geflohen oder verschleppt worden waren, darunter Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, Häftlinge der Konzentrationslager und Osteuropäer, die vor der sowjetischen Armee geflüchtet waren.

36 Spieler aus 16 „jiidisze centrs“ der amerikanischen Besatzungszone nahmen teil. Das DP Lager in Landsberg wurde im November 1945 in „Jidiszes Centr Landsberg“ umbenannt und kann aufgrund seiner Entwicklung bis zur Schließung am 1.11.1950 als eines der bedeutendsten DP-Lager in der amerikanischen Zone Deutschlands angesprochen werden.

Die Landsberger Lager-Cajtung berichtet ausführlich über das Event. Jeweils drei Spieler der sechs Gruppen zogen nach drei Tourniertagen in das Halbfinale ein. Am 4. September hielt UNRRA-Direktor Walter Jan Korn „bei vollgepacktem Saal“ eine Rede über das Schachspiel; der Abend endete mit einem feierlichen Konzert der She‘erit Hapletah unter Leitung von Michael Hofmekler, der in Kovno (Kaunas) bereits das Ghetto-Orchester dirigiert hatte.

Nach drei weiteren Spieltagen standen die neun Spieler des Finales fest. Als Meister der Amerikanischen Zone konnte sich schließlich Aleksandrow aus dem DP-Lager St. Ottilien durchsetzen. Am Sonntag, den 15. September 1946, überreichte ihm Direktor Korn - selbst leidenschaftlicher Schachspieler - den von ihm gespendeten Pokal.

Leider wissen wir nicht, ob der Pokalgewinner Nicolai Aleksandrow war, der 1886 in Odessa geboren wurde und im Sterberegister von St. Ottilien als Mathematikprofessor verzeichnet ist, oder sein Sohn Rostislaw, geb. am 12. November 1911 in Leningrad. Beide sind in den Listen des DP-Krankenhauses St. Ottilien am 13.5.1946 wie am 10.09.1946 als Patienten geführt. Nicolai Aleksandrow verstarb nach einem Schlaganfall in Bad Wörishofen, ließ sich aber in St. Ottilien neben seinem Sohn beerdigen, der bereits am 12. März 1947 den Freitod gewählt hatte.

Die Gravuren auf dem silbernen Pokal entsprechen den Beschreibungen der Lagerzeitung: Er trägt das Bild von Schachsymbolen und zwei Fahnen: der amerikanischen und einer mit Davidstern. Benannt sind auch Ausrichter (Ichud), Ausrichtungsort und -jahr des Turniers (Landsberg 1946) sowie der Spender des ersten Preises für den Schachmeister der Amerikanischen Besatzungszone.


Quellen:

Landsberg Lager-Cajtung vom 25.09.1946 mit ausführlichem Artikel zur Meisterschaft.

Literatur zum Thema:

Angelika Königseder/ Juliane Wetzel: Lebensmut im Wartesaal. Die jüdischen DP's (Displaced Persons) im Nachkriegsdeutschland, Frankfurt am Main 1994.

Angelika Eder: Flüchtige Heimat. Jüdische Displaced Persons in Landsberg am Lech 1945-1950. Miscellanea Bavarica Monacensia Bd. 170, München 1998.

Sonia Fischer: Eine Schacholympiade in Landsberg am Lech. In: Landsberger Geschichtsblätter 118. Jahrgang (2020), S. 119-120.

Gerhard Roletschek: Der KZ-Friedhof von Sankt Ottilien. In: Landsberger Geschichtsblätter 118. Jahrgang (2020), S. 103-114.

Jim Tobias: "Dos Szach-Szpil is a rejn jidisz Szpil". In: Hagalil Jüdisches Leben online vom 3.12.2018. Link: https://hagalil.com/2018/12/schach-2/

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