Städtische Museen

Landsberg am Lech

Hermann Croissants "Lebensalter"

Was eine Restaurierung enthüllt

In der Sammlung des Landsberger Stadtmuseums befindet sich ein dreiteiliges Bild von Hermann Croissant von 1940, also aus nationalsozialistischer Zeit. Die Sparkasse Landsberg schenkte es nach Auflösung ihrer Lagerflächen 2007 dem Museum. Im Zuge der Konzeption der neuen Abteilung Zeitgeschichte rückte das Werk wieder in den Blick. Da es einige Verschmutzungen und Schäden aufwies, wurde es 2021 zunächst von Barbara Staudacher restauriert.

Das dreiteilige Bild „Lebensalter“ ist eine großformatige Arbeit des Pfälzer Malers Hermann Croissant (1897-1963), der sich in den 1920er Jahren in Berlin und Landau einen Namen als Landschaftsmaler gemacht hatte. Die Szenerie vor Landsberger Stadtkulisse ist in Mischtechnik gemalt. Die Gouachemalerei kombiniert lasierende Flächen mit schraffierter Binnenzeichnung. Figuren, Stadtansicht und landschaftliche Details sind konturiert. Insgesamt entsteht so ein grafischer Gesamteindruck. Durch die dünne Farbschicht schimmert immer wieder die Vorzeichnung durch.

Das Werk fügt sich ein in eine Reihe monumentaler figürlicher Darstellungen, die Croissant in nationalsozialistischer Zeit als Wandbilder ausführte, unter anderem in Landau und Pirmasens.

Hermann Croissants dreiteiliges Bild "Lebensalter" zeigt drei Personengruppen vor Lech und Landsberger Altstadtsilhuette. Link ein junges Pärchen, in der Mitte eine Familie mit vier Kindern und Hund, rechts Großeltern mit einer Enkelin.Die "Lebensalter" von Hermann Croissant
© Neues Stadtmuseum, Foto: Constanze Finkenbeiner

Der Bildinhalt

Das Triptychon zeigt im Bildmittelteil eine sechsköpfige Familie vor Landsberger Stadtkulisse. Der Vater legt seine Hand auf die Schulter des älteren Sohnes, neben dem ein Hund steht. Der etwas jüngere Sohn hebt von der Familie abgewandt einen Segelflieger über den Kopf. Zentral sitzt die Mutter mit dem jüngsten Kind auf dem Schoß, neben ihr steht eine Wiege, auf deren Stirnseite die Jahreszahl 1940 prangt. Ihr Mann legt auch ihr eine Hand auf die Schulter. In der Wiese zu Füßen der Mutter sitzt ein kleines Mädchen über ein Buch gebeugt.

Der linke Bildflügel zeigt ein junges, sich zugewandtes Paar. Die blonde junge Frau wendet dem Betrachter den Rücken zu und lehnt sich an einen jungen Mann in Wanderkluft. Auf dem rechten Bildflügel vertritt ein älteres Paar die Großeltern-Generation. Der Mann steht hinter seiner sitzenden Frau, die die Taille der vor ihr stehenden Enkelin umfasst. Kopftuch, einfache Kleidung und Spaten kennzeichnen sie als Bauern.

Die Personengruppen, die die unterschiedlichen Lebensalter repräsentieren, befinden sich am westlichen Lechufer. Im Hintergrund sind die Häuser des Ostufers, sowie Heilig-Kreuz-Kirche, Museumsgebäude (damals noch Schule) und Stadtpfarrkirche zu erkennen, auf der linken Seite auch der Lechstrand.

Restaurierungsmaßnahmen

Die recht weichen Platten hatten zahlreiche Bestoßungen, das gepresste Fasermaterial war ausgebrochen und überwölbt. Kleinere Löcher waren einfach übermalt worden, größere mit einer grob aufgetragenen Kittmasse geschlossen und übermalt. Besonders in der Bildmitte oben, in schwächerer Form aber über die gesamte Fläche verteilt, lagen dunkle, tropfenförmige Verfärbungen, wohl als Folge eines Wasserschadens. Wie oder wo genau der Wasserschaden zustande kam, ist unklar. Die Oberflächen waren stark verschmutzt, der Himmel gebräunt.

Bei der Restaurierung reinigte Barbara Staudacher daher umfassend die Oberfläche. Sie überarbeitete die groben Kittungen und legte die ursprüngliche Farbschicht frei. Beschädigte Stellen kittete sie fein und retuschierte sie ebenso wie die tropfenförmigen Verfärbungen.

Die Überraschung: Aus Soldat wird Wandersmann

Was bei der Restaurierung besonders ins Auge fiel: der linke Flügel mit dem jungen Paar war im Laufe der Zeit stark verändert worden. Vor allem der rechte Arm des jungen Mannes ist deutlich erkennbar übermalt, mit deckender Farbe und ohne die sonst typische Binnenschraffierung. Wie sich herausstellte, hatte der junge Mann in der originalen Version eine Uniform getragen, vor sich ein Gewehr stehend, auf das er die Hände gestützt hatte. Mit der Originalfassung vor Augen ist die Kontur des Gewehrkolbens noch erkennbar. Offensichtlich wurde hier nach Kriegsende aus einem Soldaten ein Zivilist gemacht, um das Zitat an den Krieg vergessen zu machen. Wer für die Übermalung verantwortlich war, ist nicht bekannt.

In dieser Variante war das Bild vermutlich bis zum Umbau der Sparkasse 1963 ausgestellt. Zumindest konnte sich der ehemalige Organisationsleiter Klaus Schmid an das Bild erinnern, das zu Beginn seiner Lehrzeit 1959 noch in der Schalterhalle der Sparkasse hing. Dass das Triptychon auch nach dem Krieg noch so lange in öffentlich zugänglichen Räumen der Sparkasse hing, spricht dafür, dass die Bildaussage nicht dezidiert als nationalsozialistische wahrgenommen und reflektiert wurde.

"Kunst aus NS-Zeit" oder "Nazi-Kunst"?

Wie verhält es sich mit der Einordnung des Triptychons „Lebensalter“, das in nationalsozialistischer Zeit als Auftragswerk entstand? Ist es als „Kunst aus NS-Zeit“ zu benennen oder als propagandistische „Nazi-Kunst“? In den Landsberger Geschichtsblättern 2022 beschäftigt sich Museumsleiterin Sonia Fischer mit den Hintergründen des Werks sowie mit inhaltlichen und stilistischen Aspekten, um dieser Frage nachzugehen. Und auch in der neuen Dauerausstellung wird das Werk als Informationsquelle und Leitobjekt für eine Diskussion über nationalsozialistische Bildkultur Platz finden.

Zum Nachlesen: Sonia Fischer: Kunst aus NS-Zeit oder Nazikunst? Hermann Croissants Bild „Lebensalter“ im Stadtmuseum. In: Landsberger Geschichtsblätter 2022.

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