Städtische Museen

Landsberg am Lech

Flashmob

Erst waren sie nur zu zweit oder zu dritt, aber man weiß es nicht so genau. Es wird vermutet, dass sie einen Lebensmitteltanz irgendwo in der weiten Welt getanzt haben. Da dieser so fröhlich war, schlossen sich gleich viele andere an. Aus einem flotten Foxtrott wurde ein Sirtaki, dann ein Stepptanz, zu guter Letzt aber ein ungewollter Flashmob in fast aller Herren Ländern. Keiner wollte ihn – und will ihn heute immer noch nicht haben, oder zumindest nicht wahrhaben. Doch die winzig kleinen, kaum erkennbaren „Königskinder“ – der Name ist übrigens völlig übertrieben, denn die Krone hat doch sowas Majestätisches, Erhabenes, Wohlwollendes – interessiert es nicht. Sie twisten und schwofen, zappeln und rocken, bis ihre kleinen, erhitzten Körper zu glühen beginnen. Die kleinen ungewollten Königskinder husten vor Erschöpfung und schnappen nach Luft.

Es war wohl alles etwas zu viel die letzten Jahre, übertrieben viel. Die Achtsamkeit ging weitestgehend verloren – aber es funktionierte doch alles prima, wie immer im Affenzahn. Nur deshalb sprangen die Königskinder, ich nenne sie ab jetzt Conis, auf die ersten Menschen. In ihrer Verzweiflung hofften sie eigentlich, hier einen Ruhepol zu finden. Letztendlich sind sie aber auf große Unruhe gestoßen, und so springen sie verzweifelt von einem zum anderen, wagen sich sogar über Grenzen und Meere … und sind immer noch auf der Suche.

Die Menschen aber machten erst Witze über diese Winzlinge mit wirren Zottelhaaren und vielen Beinchen. Sowas Ähnliches wie die Conis gab es doch schon immer, hieß es. Es könnte doch glatt sein, dass diese Conis sich längst heimlich bei manch einem eingenistet hatten, sich dort geborgen fühlten bis … na ja, bis diese Massenunruhe aufkam.

Irgendwann reichten die Witze nicht mehr, um die Angst zu unterdrücken. Seitdem lähmt sie die Nationen und zwingt sie jetzt zum Handeln. Die kleinen Wesen aber interessiert das alles überhaupt nicht. Sie haben sich in Kolonien zusammengeschlossen und treten truppenartig auf. Teils werden sie aggressiv und nisten sich richtig ein. Gerade dort, wo das Abschütteln nicht so leicht ist, wo man müde vom Leben einfach nur seine Ruhe haben will.

Manche haben den Ernst der Lage leider erst spät erkannt … und die Conis vermehren sich weiter und immer weiter … im Affenzahn! –

Das öffentliche Leben scheint stillzustehen. Stille und Angst schweben in der Luft … Die Welt braucht aber auch Positives, um nicht komplett in Lethargie abzugleiten.

Doch was war nur der Grund dafür, dass diese angeblichen „Königskinder“ so hervorgetreten und so stark geworden sind? Hat das alles vielleicht doch einen tieferen Sinn, der uns momentan noch nicht bewusst ist?

Und gibt es nicht bereits viele kleine Wunder, von denen zunehmend erzählt wird? Solche, die sich wieder bester Gesundheit erfreuen. Andere, die bis zur Erschöpfung als absolute Helferengel arbeiten, obwohl sie sich dabei selbst in Gefahr bringen. Hilfsbereite Nachbarn, die Ältere unterstützen. Ein Flashmob der Dankbarkeit für jene, die ihre Zeit und ihr Können für andere einsetzen.

Gewiss wird es noch viel mehr Wunder geben. Lernen wir jetzt, sie wieder zu sehen? Lernen wir jetzt, uns auf das zu besinnen, was uns Menschen ausmacht.
Lernen wir wieder, uns durch den Kleber der Nächstenliebe zu festigen in einem friedvollen Miteinander.

 

© Heidenore Glatz, 17.03.2020