Städtische Museen

Landsberg am Lech

Neuer Schwung

Könnte ich doch nur den grauen Mantel, der uns alle umhüllt, abschütteln. Uns frei machen von der Unbill, die über uns schwebt und uns zu paralysieren droht. Die wenigen Hoffnungsworte, die ich verteilen darf, reichen doch nie für alle.

Bemüht krame ich in der Tiefe meiner Wortkiste, doch sie scheint immer leerer zu werden. Dabei war sie doch so brechend voll, kaum sortierbar, mit einem immensen Drang  zu Schreiblust und Freiheit.

Es gab Zeiten, da zwängten sich die Buchstaben durch jede Ritze und preschten hinaus in die Welt. Eigensinnig bildeten sie Worte, dann Sätze, mal lyrisch, dann heiter und frech, oder auch nachdenklich, ja nicht selten sogar philosophisch. Hach, war das eine bunte Vielfalt! Wie die Farben eines Regenbogens, der wohlwollend über den Dächern leuchtete. Frisch und ausgelassen füllten sie Seite um Seite, ja sogar Bücher.

Wohin sind sie denn nur alle verschwunden? Die wenigen, die noch am Boden der Kiste kleben geblieben sind, haben sich zudem verändert. Sie sind träge geworden, ein paar davon sogar angstvoll und etwas unzufrieden. Ihnen fehlt der nötige Schwung, um sich ihrer besonderen Wirkung wieder im Klaren zu werden: Worte können Optimismus verbreiten, Hoffnung streuen, den Weg zu neuen Perspektiven bereiten. Sie können Glaube und Hoffnung vermitteln und die Seele streicheln, wenn sie mit Liebe gewählt sind.

Auf die anderen, beängstigenden oder drohenden Wortgeflechte möchte ich hier nicht näher eingehen, nur die Tatsache festhalten, dass es sie gibt.

Was tun? Abwarten? Oder behutsam neue Setzlinge ziehen, sie ins Feld eines sonnigen Gemütes pflanzen, sie mit allem Großmütigen und Wohlgesinnten gießen, vielleicht noch mit Ehrlichkeit und Menschenliebe ordentlich düngen und dann hoffnungsfroh abwarten. Das wär’ doch prima! Auf solchem Nährboden und mit so hingebungsvoller Pflege könnten doch nur gute Wortpflanzen wachsen, solche mit den richtigen Formulierungen für einen Neuanfang nach der Krise.  Lebensbejahend und aufstrebend wie die vielen Frühlingsblumen nach einem bitterkalten Winter wieder ihre Köpfchen zur Sonne hinstrecken. Genau so stelle ich mir das vor: Frisch und fröhlich bunt stehen sie inmitten von sattem Lebensgrün, meine neuen Buchstaben!

… und wenn dann später die Sommerblüten in den Gärten duften, wenn der laue Wind seine neuesten Geschichten aus der weiten Welt erzählt und die Sonne ihm fröhlich zunickt, dann, ja dann ist die Welt wieder in Ordnung … und  meine Worte schaukeln mit auf dem blauen Meer, fliegen mit den Störchen im unendlichen Blau oder wandern durch kühle Wälder, bis sie sich triefend vor Glück wieder zu einem Gedicht oder einer Geschichte sammeln.

Glaube mir, diese Zeit wird kommen. Und ich freue mich darauf. Für dich und für mich!

 

© Heidenore Glatz, 30.03.2020